Hochdosiertes Thiamin (Vitamin B1) verbessert Ermüdungs- und Erschöpfungssymptome bei Multipler Sklerose

Veröffentlicht am 3. Februar 2025 | Costantini A, Nappo A, Pala MI, et. al.
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Diese Studie untersucht die Wirkung von hochdosiertem Thiamin (Vitamin B1) auf Ermüdung- und Erschöpfungssymptome (Fatigue) bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS). Fatigue ist eines der häufigsten und belastendsten Symptome von MS, für das es bislang keine effektive Behandlung gibt. Die Hypothese der Studie ist, dass Fatigue mit einer leichten intrazellulären Thiamin-Dysfunktion zusammenhängt, auch wenn die Blutwerte im Normbereich liegen.

15 Patienten mit MS-bedingter Fatigue erhielten täglich 600–1500 mg Thiamin oral oder 100 mg/mL wöchentlich parenteral. Die Fatigue wurde mit der Fatigue Severity Scale (FSS) bewertet. Nach 20 Tagen zeigte sich bei 14 von 15 Patienten eine signifikante Verbesserung der Fatigue-Symptome, mit einer durchschnittlichen Reduktion des FSS-Werts um 41 %. Verbesserungen traten innerhalb weniger Tage nach Beginn der Therapie auf, unabhängig von der Verabreichungsform. Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen wurden berichtet.

Fazit: Hochdosiertes Thiamin könnte eine effektive und sichere Therapieoption für MS-Patienten mit Fatigue darstellen. Weitere placebokontrollierte Studien sind erforderlich, um die zugrunde liegenden Mechanismen und langfristige Wirksamkeit zu bestätigen.

Hintergrund:

Fatigue ist eines der häufigsten und belastendsten Symptome bei Multipler Sklerose (MS) und betrifft etwa 75 % der Patienten. Trotz ihrer erheblichen Auswirkungen auf die Lebensqualität gibt es bislang keine wirksame Behandlung. Die Pathophysiologie der MS-bedingten Fatigue ist unzureichend verstanden, aber frühere Studien legen nahe, dass eine mitochondriale Dysfunktion und eine Störung des zellulären Energiestoffwechsels eine Rolle spielen könnten.

Vitamin B1 (Thiamin) ist entscheidend für den Glukosestoffwechsel und die mitochondriale Energieproduktion. Diese Studie stellt die Hypothese auf, dass MS-bedingte Fatigue mit einer leichten intrazellulären Thiamin-Dysfunktion zusammenhängt, auch wenn die Blutwerte im Normbereich liegen. Die Gabe von hochdosiertem Thiamin könnte diese Funktionsstörung ausgleichen und die Fatigue lindern.

Methodik:

Teilnehmer: 15 MS-Patienten mit diagnostizierter Fatigue (9 Frauen, 6 Männer, Durchschnittsalter 47,2 Jahre).

Behandlungsdauer: 20 Tage.

Dosierung:

• 600–1500 mg Thiamin oral täglich (nach Körpergewicht angepasst).

• Alternativ 100 mg/mL parenteral einmal wöchentlich.

Fatigue-Messung: Vor und nach der Behandlung mit der Fatigue Severity Scale (FSS).

Zusätzliche klinische Parameter: Bestimmung von Blut-Thiamin und Thiamin-Pyrophosphat (TPP).

Ergebnisse:

1. Reduktion der Fatigue:

• Der durchschnittliche FSS-Wert sank signifikant von 45,4 auf 26,9 (p < 0,0001).

• 14 von 15 Patienten berichteten über eine subjektiv spürbare Verbesserung ihrer Energie und Belastbarkeit.

2. Schneller Wirkungseintritt:

• Bei parenteraler Gabe wurden Verbesserungen innerhalb weniger Stunden beobachtet.

• Bei oraler Gabe traten erste Effekte nach 2–3 Tagen ein.

3. Verbesserung weiterer Symptome:

• Patienten berichteten über eine Reduktion von Schlafstörungen, Depressionen, Angstzuständen, Muskelschwäche und Tachykardie.

• Neurologische Defizite, wie motorische Einschränkungen, zeigten keine signifikante Veränderung.

4. Thiamin- und TPP-Spiegel:

• Blut-Thiamin-Werte stiegen signifikant nach der Hochdosis-Therapie, jedoch ohne direkte Korrelation mit den Verbesserungen der Fatigue.

• Dies deutet auf eine mögliche intrazelluläre Transportstörung oder eine strukturelle enzymatische Dysfunktion hin.

5. Nebenwirkungen und Sicherheit:

• Während der gesamten Studie traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf.

• Die Behandlung wurde von allen Patienten gut vertragen.

Diskussion:

• Die Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass MS-bedingte Fatigue mit einer Dysfunktion des intrazellulären Thiamin-Transports zusammenhängen könnte.

• Hochdosiertes Thiamin könnte diese Störung überwinden, indem es die Thiamin-Konzentrationen in den Zellen über Diffusion erhöht.

• Ähnliche Ergebnisse wurden in früheren Studien zu Fatigue bei anderen entzündlichen Erkrankungen, wie Colitis ulcerosa, beobachtet.

• Die Wirkung von Thiamin könnte durch seine Rolle in der mitochondrialen Funktion, dem Energiestoffwechsel und der Reduktion von oxidativem Stress erklärt werden.

Schlussfolgerung:

Diese Pilotstudie liefert erste Hinweise darauf, dass hochdosiertes Thiamin eine vielversprechende Behandlungsoption für MS-Patienten mit Fatigue sein könnte. Die Therapie zeigte eine schnelle, signifikante und anhaltende Verbesserung der Symptome, ohne Nebenwirkungen. Weitere placebokontrollierte Studien sind erforderlich, um die Langzeitwirksamkeit zu bestätigen und die optimalen Dosierungsstrategien zu ermitteln.

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